- "FLOP" - SATIRISCHE GESCHICHTEN von Eberhard Enkel.

Leseprobe aus dem Kapitel - "Der Ernst des Lebens" -


Einflußgrößen

Die Entwicklungsingenieure sahen ihr Labor als ihr persönliches Reich an. Nun war ihr Chef auch ein Elektroniker, der sich dann und wann in das Labor verirrte und so das Arbeitsklima störte. Denn erspähte dieser einen freien Arbeitsplatz, so konnte es passieren, daß ihn der Tatendrang zum Spielen mit der greifbaren Technik packte. Böse Zungen behaupteten, er benötige dies aus Abenteuerlust und Wißbegierde, um auch selber zu verstehen und live zu erleben, von was er manchmal sprach.

Erwartungsgemäß störte so etwas jedoch den gewohnten Arbeitsfrieden. Also beschloß unser selbstloser Labor- und Bauteile- Experte, zur Wahrung des Arbeitsfriedens sich zu engagieren. Es waren wieder mal drei Plätze frei. Benglert, ihr aller Vorgesetzter, schlich wieder einmal durchs Labor. Er spähte nicht nur voll Vergnügen nach diesen freien Arbeitsplätzen, sondern richtete sich gleich auch dort noch häuslich ein. Den Mitarbeitern war dies jedoch ein Dorn im Auge. Doch wie nur konnte man den Boß vertreiben ohne die entsprechende Befehlsgewalt?

So mußte wohl die Technik helfen. Es würde hoffentlich reichen, wenn ihm sein Experiment außer Kontrolle geriet. Solchermaßen frustriert, war er sicherlich bereit, beleidigt und blamiert aus dem Labor wieder auszuziehen. Und unser Grundlagenforscher erinnerte sich der Grundlagen, die er im Schwabenlande mal erforschte. Da war doch diese Testreihe mit den vielen elektrischen Widerständen, die er dabei zerstörte ...

Es gab da doch einen speziellen Wert, gekoppelt mit einer speziellen Leistungsgröße, welcher zeitverzögert nach dem Einschalten der Netzspannung so herrlich explodierte. Gesagt, getan. Die Steckdosenleisten aller freien Tische waren präpariert. Die Akteure waren bereit, und am nächsten Morgen kam dann die Premiere.

Der frohgemute Boß schritt forschen Schrittes zu seinem privaten Experiment und schaltete die Netzspannung ein. Dies war der Akt, den jeder der Versammelten, bis auf ihn, sehnsüchtig und mit Spannung erwartete. Er hatte sich kaum nach dem Einschalten hingesetzt, da gab es einen lauten Knall. Die Funken stoben blitzend, rauchend und zischend aus der präparierten Dose. Ein überraschter Boß sah den Zusammenbruch der Netzspannung an den Kontrolleuchten aller an seinem Experiment beteiligten Geräte. Sie gingen schlicht und einfach aus. Etwas verstört probierte er widerborstig danach noch einen zweiten Arbeitsplatz aus. Beim zweiten Knall war er dann bereit, das Labor kommentarlos und mit roten Ohren zu verlassen. Spontankreativer innovativer Entwicklungsgeist obsiegte gegen die den allgemeinen Arbeitsfrieden störenden Strukturen

Unser Avantgardist hatte schon wieder etwas durchgesetzt, das er definitionsmäßig zur Zeit mit Namen noch nicht kannte. Dies war eine Sache, welche ihm in seinem späteren Berufsleben unter dem Begriff von Einflußmanagement wiederbegegnen sollte, nämlich ohne Anweisungsbefugnis andere zu bestimmten projektunterstützenden Reaktionen zu veranlassen. In diesem Falle hieß das Projekt Schaffen einer boßfreien Zone. Die schlichte Problemstellung war, den Boß ohne äußeren Zwang zu veranlassen, sich selbst freiwillig aus dem Labor zu entfernen. Wer spricht hier ketzerischerweise von indirekter Einflußnahme oder gezielter Manipulation von Vorgesetzten?

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